Keine Lust auf langes Lesen?

Hier kannst du dir alle Infos auch bequem anhören und währenddessen die Gegend erkunden.

Wie (koloniale) Bilder in Sprache und Literatur unser Denken prägen

„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“

und

„Tausend Worte ergeben ein Bild“

Bücher haben für Menschen eine enorme Bedeutung. Sie nehmen uns mit auf Reisen in die Welt der Fantasie. Regen unsere Träume, Wünsche und Vorstellungskraft an und sind somit Teil unseres Weltbildes, unseres (Selbst-)Verständnisses. Dabei spielt Sprache eine sehr große Rolle.

Koloniale Bilder in der Kinderliteratur

Bilder haben bei Kindern eine noch größere Bedeutung als bei Erwachsenen. Was sie dort wahrnehmen, ist Teil ihrer Welt. Was nicht, gehört eben nicht dazu. Die Zahl der Kinderbücher, die sich mit Themen rund um den afrikanischen Kontinent befasst, ist enorm. Aus diesem Grund ist eine Auseinandersetzung zum Thema koloniale Denkstrukturen innerhalb der Kinderliteratur von großer Wichtigkeit. Gab es in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts noch offensive antisemitische und rassistische Passagen in Kinderbüchern, stehen spätere Werke in der Kritik, undifferenziert und oberflächlich zu sein. Auch hier gilt: Gut gemeint ist oft nicht gut gemacht. Den allerwenigsten Autor*innen gelingt in ihren Erzählungen ein unvoreingenommener und rassismuskritischer Blick auf diesen großen Kontinent.

Buchbeispiele – Cover

  • Sag mir wie ist Afrika
  • Afrika wie ist es da?
  • Jim Knopf
  • Pocahontas

Das koloniale Erbe weißer Vorherrschaft schlägt sich fast unverhohlen in der Kinderliteratur nieder. Und zwar dadurch, dass in den Büchern beschriebene Personen, in welcher Hinsicht auch immer, als unzulängliche, nicht gleichwertige Bürger*innen des afrikanischen Erdteils dargestellt werden, denen geholfen werden muss. Um Reproduktionen entgegen zu wirken und sich mit gängigen Klischees und Vorurteilen hinsichtlich einer Auseinandersetzung mit der betreffenden Zielgruppe vorzubereiten, bedarf es einer Sensibilisierung der (Vor-) Leser*innenschaft.

(Buch)beispiele – Cover

  • Bibi Blocksberg
  • In Afrika war ich nie allein
  • Wie schön weiß ich bin
  • Meine Oma lebt in Afrika

Im Jahr 2015 hat es eine größere Debatte im deutschen Feuilleton gegeben, ob das N-Wort aus der (Kinder-) Literatur entfernt werden darf, auch wenn die Autor*innen schon tot sind – und ja, es wurde in einigen Neuauflagen ersetzt. (Pipi Langstrumpf, das Kleine Gespenst, Der kleine Prinz, u.a.) Dennoch ändert sich der inhaltliche Kontext nicht: Ein N****könig der zum Südseekönig wird, bleibt in der Geschichte immer noch ein Kolonialherr. Handelnde, die vom afrikanischen Kontinent abstammen werden als stumme, handlungsunfähige Figuren und Schwarze Menschen und Schwarze Gesellschaften als Masse und als „die“ von „da“ dargestellt. Leider werden meistens die Unterschiede statt die Gemeinsamkeiten betont. Fast ausschließlich fehlt es der deutschen Kinderliteratur an positiven, aktiven Held*innen mit nicht-weißer Haut, die gleichwertig und auf Augenhöhe mit ihren Schulfreund*innen Abenteuer erleben. Hier eines der gelungeneren Beispiele.

Buch: Leo und Lucy – Privatdetektive

Die vielleicht stärkste Auseinandersetzung im deutschsprachigen Raum haben wohl Astrid Lindgren und ihre Pippi Langstrumpf erfahren. In mehr als 57 Sprachen übersetzt und mit einer bereits 1987 erreichten Weltauflage von 40 Millionen Exemplaren vielleicht das Kinderbuch mit dem größten und schwersten Erbe kolonialer Denkweisen. Den (Vor-) Leser*innen ist nahe zu legen, beim (Vor-)Lesen über stereotype Darstellungen nachzudenken und diese zu besprechen.

  • ohne Copyrights wäre hier das Cover von Pippi im Taka-Tuka-Land zu sehen

Kolonialer Sprachgebrauch

Zeig mir wie du sprichst und ich sag dir wer du bist? Unsere Sprache gibt Auskunft über unsere Perspektive, unsere Herkunft, unsere Geschichte. Viele Begriffe und Formulierungen die wir heute benutzen sind eng verflochten mit der kolonialen Geschichte. Wörter wurden explizit konstruiert um einerseits Machtverhältnisse zu demonstrieren und zu verstetigen, andererseits um die „Andersartigkeit“ darzustellen. Viele davon sind noch heute ganz selbstverständlich in der deutschen Sprache zu finden und werden fast ausschließlich unkritisch, beispielsweise im Duden, legitimiert. Was ist schon schlimm am „Mohr“? Worte wie „Neger“, „Indianer“, „Asylant“ oder „Eskimo“ sind doch gar keine Schimpfworte? Welches Bild taucht in deinem Kopf auf, wenn du das Wort „Stamm“ oder „Eingeborene“ hörst oder liest? – und wusstest du, was die eigentliche Bedeutung von „Bastard“ ist?

Gemeinhin bekannt wird der Begriff sein, um auf unschöne Weise ein uneheliches Kind zu beschreiben. Die ursprüngliche Bedeutung kommt aus der Zoologie und beschreibt die Kreuzung zweier verschiedener Rassen. Zum Beispiel den Maulesel, Nachkomme einer Esel-Mutter und eines Pferde-Vaters. In der Kolonialzeit wurde dieser Begriff geprägt für Kinder aus Beziehungen zwischen Schwarzen und Weißen Menschen, was als nicht gesellschaftskonform, illegitim und als „Rassenschande“ galt.

Graffiti: ACAB

Das größte Problem in der Wahl der Wörter besteht darin, dass Begriffe von den zu benennenden Personen und Personengruppen meist nicht selbst gewählt wurden.

Und überhaupt; diese ganze Reihe von Assoziationen und Redewendungen wie „schwarzes Schaf“, „schwarzer Peter“, „schwarzes Loch“, „schwarzfahren“, „den N***r machen“ sind rassistisch. Auch wenn sie „nicht so gemeint sind“.

Weiterhin unsinnig ist die Vermeidung von Verallgemeinerungen wie zum Beispiel „die Chinesen“, „afrikanisch kochen“, „Indianersprache“. Oder was stellst du dir unter einem „europäischen Essen“ vor und was könnte die „deutsche Kultur“ sein? Das alles gibt es doch gar nicht. Wir alle sind unterschiedlich und haben vielleicht gerade jetzt mehr mit einem Menschen gemeinsam der auf der anderen Seite der Erdkugel lebt, als mit der Person, die ein Stockwerk unter uns wohnt.

Quellen und zum Nachlesen

Stationen
Kartenansicht