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Mission und Kirche im Kolonialismus

Ein Zeugnis kolonialer Geschichte findet sich in der Universitätskirche in Rostock. Innen über dem Eingang findet sich dort ein Portrait von Johann Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin. Dieser wurde bekannt als der „einflussreichste Mann der deutschen Kolonialbewegung“ (Jan Böttger) in der Hochphase des deutschen Kolonialismus. Johann Albrecht propagierte eine expansionistische Politik und eine Ausweitung des Kolonialreichs. Von 1895 bis zu seinem Tod 1920 war er Vorsitzender der Deutschen Kolonialgesellschaft und an nahezu allen kolonialpolitischen Entscheidungen und Initiativen beteiligt – einer Zeit also, in die unter anderem der Genozid an den Herero und Nama fiel.

Portrait von Johann Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin

Doch auch hierüber hinaus lohnt es sich, einen genaueren Blick auf das Verhältnis von Kirche und Kolonialismus zu werfen: Mit ihren Missionen waren die Kirchen ein wichtiger Akteur in den Kolonien.

1. Die Missionen

Christliche Missionen existieren schon seit den Anfängen des Christentums mit dem Ziel jenes zu verbreiten. Im 19. Jahrhundert richtete sich der Blick der Missionare verstärkt auf die neu entstehenden Kolonien in afrikanischen und asiatischen Ländern. Die Arbeit der Missionen und ihr Verhältnis zum Kolonialismus sind ambivalent: Während die Missionen oft mit den Kolonialverwaltungen zusammenarbeiteten und von deren repressivem Vorgehen profitierten, erbrachten Missionare auch humanitäre Leistungen und leisteten teilweise Widerstand gegenüber dem brutalen Vorgehen gegen die lokale Bevölkerung.

Dennoch war auch die Missionsarbeit geprägt von rassistischem Überlegenheitsdenken und asymmetrischen Machtbeziehungen. Im Glauben an eine Überlegenheit der eigenen Lebensweise, wurden der lokalen Bevölkerung „europäische Werte“ aufgezwungen. So sollte beispielsweise der lokalen Bevölkerung ein „christliches Arbeitsethos“ beigebracht werden – durch oft ausbeuterische Arbeit auf den Plantagen der Missionen. Sie zerstörten so lokale Strukturen und lokales Wissen und ebneten dadurch den Weg für nachfolgende Siedler und Kolonialbeamten.

Viele der damals tätigen Missionsvereine existieren auch heute noch.

2. Die Rostocker Missionen

Ein protestantischer Missionsverein wurde in Rostock am 25.06.1830 gegründet. Dieser blieb jedoch relativ klein und unbedeutend. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass auch in Rostock Missionare ausgebildet wurden.1 1839 wurde der Rostocker Missionsverein Mitglied im Norddeutschen Missionsverein2. Dieser unterhielt Missionen im Siedlungsgebiet der Ewe im Gebiet der heutigen Staaten Ghana und Togo.3

Heute unterhalten die Spiritaner (die Missionsgesellschaft vom Heiligen Geist und vom Unbefleckten Herzen Mariens) ein Missionshaus im Reutershäger Weg 4 in Rostock.4 Die Spiritaner sind ein katholischer Orden, der 1703 gegründet wurde. Er spielte eine große Rolle in der Missionierung und Kolonialisierung Deutsch-Ostafrikas.5

Auch der Norddeutsche Missionsbund existiert noch heute mit Sitz in Bremen. Wie der Orden der Spiritaner ist auch der Norddeutsche Missionsbund in Deutschland und in jenen Gebieten tätig, in denen sie auch zur Kolonialzeit Missionen unterhielten. Während die Norddeutsche Mission sich auf seiner Website recht ausführlich mit der Kolonialzeit auseinandersetzt6, finden sich kaum Texte, in denen sich die Spiritaner ernsthaft mit ihrer Vergangenheit beschäftigen. Sie sprechen lediglich von der Gründung einer „Gemeinschaft für die Seelsorge unter den Einheimischen in den Kolonien“.7

Aufgrund ihrer Geschichte sind die Missionsvereine jedoch untrennbar mit der Kolonialherrschaft verbunden und werden es auch bleiben.

Wir meinen:

Um sich glaubhaft von diesen kolonialen Strukturen distanzieren zu können, ist zumindest eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte notwendig.

Quellen und zum Nachlesen

  • Leipzig Postkolonial, „»Auf den Schwingen der Kolonialbewegung zum Missionserfolg« – Die Rolle christlicher Missionen in den deutschen Kolonien“; http://www.leipzig-postkolonial.de/htmls/02_thms/02_10-missionen.html; letzter Zugriff am 26.04.2020
  • Leipzig Postkolonial, „Die Leipziger Mission im Kilimanjaro-Gebiet – In fremden Weinbergen“; http://www.leipzig-postkolonial.de/htmls/02_thms/02_09-mission_lpz.html; letzter Zugriff am 26.04.2020
  • Thoralf Klein; „Mission und Kolonialismus – Mission als Kolonialismus. Einblicke in eine schwierige Wahlverwandtschaft“; in: Kraft, C., Lüdtke, A. and Martschukat, J.(eds.) Kolonialgeschichten: Regionale Perspektiven auf ein globales Phänomen. Frankfurt a.M./ New York: Campus, pp.142-161
  • Adyanga Akena, F. (2012) ´Critical Analysis of the Production of Western Knowledge and Ist Implications for Indigenous Knowledge and Decolonization‘, Journal of Black Studies
  • Alt-Rostocker Professoren. In: Mecklenburgische Jahrbücher, Band 103 (1939), S. 17-66; http://mvdok.lbmv.de/mjbrenderer?id=mvdok_document_00003771; letzter Zugriff am 20.04.2020
  • Monatsblatt der Norddeutschen Missionsgesellschaft, Januar bis März 1840; S. 241, https://play.google.com/books/reader?id=7EVBAAAAcAAJ&hl=de&pg=GBS.PP5; letzter Zugriff am 17.04.2020
  • http://www.norddeutschemission.de/mission-heute/ausstellung-mission-im-wandel/politik/kolonialismus-und-mission/; letzter Zugriff am 23.04.2020
  • Homepage der Spiritaner: Missionsgesellschaft vom Heiligen Geist und vom Unbefleckten Herzen Mariens: https://www.spiritaner.de/gemeinschaft; letzter Zugriff am 23.04.2020
  • Wir Herrenmenschen: Unser rassistisches Erbe: Eine Reise in die deutsche Kolonialgeschichte von Bartholomäus Grill (2019)
  • „Das Grabmonument von Johann Albrechts von Mecklenburg-Schwerin im Münster von Bad Doberan“ von Jan Böttger in: „Kolonialismus hierzulande. Eine Spurensuche in Deutschland“ herausgegeben von Ulrich van der Heyden und Joachim Zeller (2007), S. 305-308
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