Keine Lust auf langes Lesen?

Hier kannst du dir alle Infos auch bequem anhören und währenddessen die Gegend erkunden.

Kolonialismus und Medizin – von „Tropenmedizin“ bis Rassentheorie

Die medizinische Fakultät Rostock soll uns zum Anlass dienen, einmal über die (medizinische) Forschung zu Zeiten des Kolonialismus nachzudenken. Zur Kolonialzeit spielte die Medizin vor allem unter dem Wort „Tropenmedizin“ eine Rolle. In diesem Zusammenhang fällt auch der Name Robert Koch häufig.

Robert Koch

Dieser behandelte 1906 auf den Inseln um den Viktoriasee Menschen, die an der sogenannten Schlafkrankheit1 litten. Zunächst vollzog er dies mit einem Mittel, welches in Deutschland zur Heilung gegen Syphilis eingesetzt wurde. Das arsenhaltige Mittel hatte jedoch einige Nebenwirkungen und die Menschen kamen nicht immer freiwillig, um sich von den Ärzten behandeln zu lassen. So schreibt Wolfgang Eckert in dem Buch „Medizin und Kolonialimperialismus“ über einen wissenschaftlichen Ehrgeiz junger Ärzte einer bakteriologisch erfolgreichen Nation die ihre Chance nutzten und mit gefährlichen neuen Medikamenten experimentierten – in den Schlafkrankheits-„Konzentrationslagern“2 in Togo, Kamerun und Deutsch-Ostafrika. Die Zwangsmaßnahmen gegen die Bevölkerung, die auch als Versuche an Menschen zu verstehen sind und in der Kolonialzeit begannen, fanden später im Nationalsozialismus weitere Anwendung. Tropenmediziner Claus Schilling beispielsweise infizierte Menschen im Konzentrationslager Dachau mit Malaria.

Neben der Beforschung von Krankheiten gab es auch Forschungen über die biologische Einteilung von Rassen. Das wohl standhafteste Überbleibsel des Kolonialismus. Der Naturforscher Carl von Linné (1707-1778) beispielsweise, der auch in Rostock durch einen Straßennamen geehrt wird, teilte die Menschen in 4 Rassen ein. Heute längst widerlegt, entstanden zur Kolonialzeit durch ihn und weitere Vertreter die Rassentheorien, die unsere Gesellschaft, ihre Wahrnehmung und ihr Handeln leider bis heute prägen. Der Rassismus diente als wirkungsvolles Mittel zur Legitimation der Aneignung von Ressourcen und der Ausbeutung von Mensch und Natur. Dies wirkt in Beziehungen zum und Betrachtungsweisen über den globalen Süden3 bis heute nach.

Umgang mit human remains

„Forschungsobjekte“ wie beispielsweise Schädel oder Gebeine aus der Kolonialzeit waren nicht selten Gegenstände, die ihren Weg nach Deutschland fanden. Auch Rostock verfügt über eine anatomische Sammlung in der noch einige Objekte, zumeist menschliche Schädel oder Gebeine aus der Kolonialzeit, zu finden sind. Leider ist es schwer, Aussagen über deren genauere Herkunft zu treffen. Wer wann an wen was übergeben hat, ist oft nicht belegt, bzw. Daten dazu im Laufe der Zeit schlecht bis gar nicht archiviert oder gar vernichtet worden. Das Rostocker Institut für Anatomie befindet sich im Prozess der Klärung über den zukünftigen Verbleib und Umgang mit den Objekten. Was aus Unrechtskontexten in das Institut gelangt ist, sollte ethisch verantwortlich rückgeführt werden.

+++UPDATE+++

Umgang mit human remains

Eine Stelle für die sogenannte Provenienzforschung wurde kürzlich geschaffen. Koordiniert wird ein Umgang mit problematischen Gegenständen von der Deutschen Anatomischen Gesellschaft. So dann auch der Umgang mit den human remains aus dem heutigen Namibia, die in der anatomischen Sammlung in Rostock liegen. Im Dezember 2019 veranstaltete Rostock Postkolonial in Kooperation mit Berlin Postkolonial eine Veranstaltung mit den Nama- und Ovaherero Aktivistinnen Sima Luipert und Esther Muinjangue. Der NDR berichtete darüber:

Ein Klick/Touch auf das Bild führt dich zum Video

Überlegungen zum Umgang mit kolonialen Objekten findest du auch in der Station „Ethnographische Sammlung“.

Stationen
Kartenansicht