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Koloniale Gegenwart

Wusstest du, wofür die Abkürzung EDEKA steht?

EDEKA steht

für “Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler” und trägt damit koloniale Geschichte direkt im Namen. Aber nicht allein im Namen dieser Handelskette ist das Erbe des Kolonialismus zu finden, sondern auch in den Regalen von EDEKA und anderen Supermärkten befinden sich zahlreiche Produkte, die einen kolonialen Bezug aufweisen. Eine kritische Aufarbeitung der eigenen Geschichte im Zusammenhang mit dem Kolonialismus sowie eine kritische Auseinandersetzung mit den angebotenen Produkten ist allerdings nicht zu finden. Auf unsere Nachfrage gibt es bis heute leider keine Stellungnahme dazu. Es scheint, als würde es den Firmen ausschließlich um (persönlichen) Profit gehen für den, wie auch zu Zeiten des Kolonialismus, die Ausbeutung anderer Menschen in Kauf genommen wird.

Betrachten wir an dieser Stelle doch mal exemplarisch drei Produkte, die einen kolonialen Bezug aufweisen:

Tsingtao Werbung

Tsingtao Bier

Das berühmte Tsingtao Bier, welches übrigens weltweit die sechstgrößte Brauerei stellt, stammt ursprünglich aus der chinesischen Bucht namens Qingdao. Diese Region wurde 1898 durch den deutschen Kaiser Wilhelm gewaltsam annektiert, um den deutschen Einfluss auszudehnen. Bereits im Jahr 1859 lassen sich in Preußen Bestrebungen finden, im ostasiatischen Raum einen Stützpunkt zu besitzen, um deutschen Kaufleuten militärischen Rückhalt zu verschaffen. Aus dieser Zeit sind auch heute noch viele Gebäude erhalten, so zum Beispiel diese Brauerei, aber auch ein Bahnhof, eine protestantische Kirche sowie die Residenz des Gouverneurs. Qingdao wurde zu einem für Deutschland wichtigen Handelsstützpunkt in China und stand bis 1914 als Hauptstadt des „Deutschen Schutzgebiets Kiautschou“ unter deutscher Herrschaft. Die Brauerei wurde schließlich im Jahre 1903 als Germania-Brauerei gegründet.

AXE Africa Werbung

AXE AFRICA (Deo oder Duschbad)

Wie kann ein Duschbad einen kolonialen Bezug aufweisen? Indem es nach Afrika riecht! So steht es jedenfalls auf der Verpackung: „Der ursprünglich-verwegene Duft von AXE Africa weckt deine wilden Instinkte und bereitet dich auf dein nächstes exotisches Abenteuer vor.“ Oder auch die Produktbeschreibung bei der Bestellung von AXE Africa im Internet: „Der Klassiker entführt mit seinem sinnlich-exotischen Duft in eine Welt voller Geheimnisse. (…) Duft für Entdecker, die bereit sind für jedes Abenteuer.“ Hier werden ganz klar Stereotype reproduziert, indem Afrika, ein aus 55 Ländern bestehender Kontinent, reduziert wird zu einem einzigen „exotischen“ Geheimnis. Es wird von „wilden“ Instinkten gesprochen, als würde es auf dem zweitgrößten Kontinent der Erde nur nackte, in der Natur lebende Menschen geben. Metropolen, also Weltstädte, wie Casablanca, Dakar, Kairo, Kapstadt, Lagos oder Windhuk sind dennoch selten ein Bild, welches bei Menschen aufploppt, wenn sie an „Afrika“ denken.

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Sarotti Schokolade

Schokolade, genauer genommen die Kakaobohnen, sind ebenso wie Tee, Kaffee oder Zucker klassische Kolonialprodukte. Das heißt, sie wurden im Globalen Süden angebaut, um sie für die Weiterverarbeitung und den letztendlichen Konsum im Globalen Norden zu transportieren. Auch wenn die Schokoladenfirma Sarotti ihr Logo geändert hat, so verdeutlicht dieses Beispiel das koloniale Erbe. Eine Schwarze Person, klischeehaft mit dicken roten Lippen und weißen Kulleraugen in Pumphosen und Turban dargestellt, serviert die Schokolade. „Die den Zeitgeist widerspiegelnden Wandlungen von der schwarzen Diener*innenfigur zum modernen Zauberer ist jedenfalls reklametechnisch raffiniert gelöst worden; auf diese Weise wird wohl die Figur für viele Konsument*innen bei ihren eiligen Einkäufen weiterhin der „Mohr“ bleiben, auch wenn seine Haut nunmehr gülden schimmert.“, heißt es in einem TAZ-Artikel.3

Von einzelnen Produkten zum globalen Handel

Nicht nur einzelnen Produkten wohnt das Erbe des Kolonialismus inne. Auch in der weltweiten Handels- und Wirtschaftsstruktur spiegeln sich darüber hinaus kolonial geprägte Machtverhältnisse wider. Viele Menschen im Globalen Süden müssen für wenig Lohn arbeiten. Sie sind dabei abhängig, werden ausgebeutet und gefährden häufig auch ihre Gesundheit. Im Globalen Norden hingegen wird die Wertschöpfung und der Profit erzeugt und das Produkt, z.B. Schokolade oder Kaffee, wird schließlich von den Konsument*innen hier „genossen“.

Kolonialkritischer Ausblick

Auch wenn die beschriebenen Machtverhältnisse stark verankert sind und global wirken, so können wir im Kleinen doch etwas verändern und durch einen bewussten, nachhaltigen Konsum auch die Produktionsverhältnisse beeinflussen und steuern. Beispielsweise garantieren fair gehandelte Produkte eine bessere Bezahlung und gewisse Sicherheitsstandards für die Produzent*innen im Globalen Süden. Lokale Alternativen wie solidarische Landwirtschaften, die es hier in Rostock und Umgebung gibt lassen Transportwege kleiner und den Bezug zu biologisch angebautem Gemüse wieder persönlicher werden. Im Peter-Weiss-Haus gibt es außerdem einen sogenannten Fairteiler der Initiative „Foodsharing“, die aussortierte Lebensmittel vor dem Müll rettet und kostenfrei zum Abholen für alle Menschen bereitstellt. Wer nicht auf Kaffee und ähnliche Produkte verzichten möchte, kann auch Kollektive, wie eben für Rostock genannt, im globalen Süden unterstützen. Café Libertad ist eine davon.

Espressopackung Café Libertad

Quellen und zum Nachlesen

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